Muskelkater – das unbekannte Tier

Muskelkater – das unbekannte Tier

Muskelkater ist ein Phänomen, das viele Menschen kennen – sei es nach einem intensiven Workout oder Training, einem neuen Sport oder ungewohnten Bewegungen. Trotz seiner großen Bekanntheit ist Muskelkater für viele noch immer ein Rätsel. Wissenschaftliche Studien und Umfragen zeigen, dass sich die Annahme, Muskelkater werde durch Milchsäure oder Laktat verursacht, so hartnäckig hält wie Kaugummi auf der Schuhsohle.

Studien, Umfragen, Berichte

Eine der frühesten Studien, „Muscle Soreness and Its Causes“ aus dem Jahr 2015, untersuchte das Verständnis von Fitnessstudiobesuchernin Bezug auf Muskelkater. Dabei wurde festgestellt, dass die meisten an die Theorie glauben, Muskelkater entstehe durch die Ansammlung von Milchsäure (Laktat). Diese Annahme war jedoch bereits im Jahr 2015 wissenschaftlich überholt. Die Studie zeigte einmal mehr auf, dass Muskelkater durch kleine Risse in den Muskelfasern verursacht wird, die bei ungewohnter oder intensiver Belastung entstehen. Diese Mikroschäden lösen Entzündungsprozesse aus, die die bekannten Schmerzen und Steifheit verursachen.1


Hierbei ist der Unterschied zwischen „gesundem Training“ und „Verletzung“ allerdings ziemlich schmal. Denn im Idealfall sind diese Mikrorisse ein erzielter Trainingserfolg und Teil des Muskelaufbaus. Der Körper repariert die Fasern und baut sie stärker und dicker wieder auf (Hypertrophie). Die Regeneration ist in der Regel meist in 24 bis 72 Stunden abgeschlossen. Wenn die Belastung aber zu hoch oder unkontrolliert ist, werden die Risse in den Muskeln tiefer oder zahlreicher, was bis hin zu einer Muskelzerrung oder einem Muskelfaserriss führen kann. Der Muskel wird überfordert, die Reparatur dauert deutlich länger, die Funktion ist eingeschränkt.

Ein Fachartikel, der 2017 in Sports Medicine unter dem Titel „Myths and Facts about Delayed Onset Muscle Soreness (DOMS)“ erschien, fasste ebenfalls die wichtigsten Missverständnisse in diesem Zusammenhang anschaulich zusammen. Dr. Victor Cheung, ein renommierter Wissenschaftler im Bereich der Sportmedizin und Muskelphysiologie, verwies darin auf Studien, die aufzeigen, dass das Wissen über die tatsächlichen Ursachen von Muskelkater erheblichen Verbesserungsbedarf hat.2

Dies bestätigte auch eine Untersuchung, die 2018 in Deutschland durchgeführt wurde („Knowledge and Misconceptions about Muscle Soreness among Gym Members“). Das Ergebnis: Etwa 60 Prozent der Befragten glauben noch immer an die Laktat-Theorie. Nur 30 Prozent der Teilnehmer wussten, dass Muskelkater durch Muskelfaserrisse verursacht wird.3 Diese Fehlinformationen führen nicht nur dazu, dass viele Sportlerinnen und Sportler falsch trainieren, sondern auch falsche Erwartungen an ihre Regeneration haben und daher falsche Maßnahmen ergreifen, um Muskelkater zu lindern oder zu vermeiden.

Der Bericht „Public Understanding of Exercise-Related Muscle Pain“ aus dem Jahr 2020, veröffentlicht im British Journal of Sports Medicine, bestätigte diesen Wissensstand in der breiten Bevölkerung. Auch hier zeigte sich, dass die meisten Menschen weiterhin die Milchsäure-Theorie vertreten und annehmen, dass Muskelkater im Wesentlichen durch Übersäuerung entsteht.4

Atmung, Sauerstoffversorgung und Muskelkater

Bis heute bleibt es dabei, die meisten Menschen sind sich nicht bewusst, dass Muskelkater ein Zeichen für sensible Reparaturprozesse im Muskel ist, die notwendig sind, um stärker und widerstandsfähiger zu werden. Angesichts dieser Missverständnisse wundert es auch nicht, dass die Rolle der Atmung und Sauerstoffversorgung in diesem Zusammenhang weitgehend unbekannt oder bestenfalls unterschätzt wird. Eine effiziente Sauerstoffversorgung ist essenziell für die Leistungsfähigkeit bei Belastung der Muskulatur, aber auch für die Reparaturprozesse im Muskelgewebe.

Eine effiziente Atmung spielt eine positive Rolle bei der Vermeidung oder zumindest bei der Minderung von DOMS (Delayed Onset Muscle Soreness – verzögerter Muskelkater). Hier sind einige Gründe, warum das so ist:

  1. • Optimale Sauerstoffversorgung: Eine bewusste, tiefe und kontrollierte Atmung sorgt dafür, dass dein Körper ausreichend Sauerstoff erhält. Sauerstoff ist essenziell für die Energieproduktion in den Muskeln und die Reparaturprozesse nach dem Training. Wenn die Muskeln gut mit Sauerstoff versorgt sind, können sie effizienter regenerieren und kleinere Schäden schneller heilen.
  2. • Reduktion von Übersäuerung: Überatmung oder flache Atmung kann zu Hyperventilation führen, was den pH-Wert im Blut beeinflusst und den Säure-Basen-Haushalt stört. Eine kontrollierte Atmung hilft, den pH-Wert stabil zu halten, was die Muskelregeneration unterstützt und Muskelkater vorbeugen kann.
  3. • Verbesserte Durchblutung: Durch eine effiziente Atmung wird die Durchblutung in den Muskeln verbessert. Eine bessere Durchblutung bedeutet, dass Nährstoffe und Sauerstoff schneller zu den Muskelfasern gelangen und Abfallstoffe wie Milchsäure (die bei Muskelkater oft fälschlicherweise als Ursache genannt wird) schneller abtransportiert werden.
  4. • Stressreduktion und Entspannung: Bewusste Atmungstechniken wie die Bauchatmung oder Atemübungen wirken auch entspannend. Weniger Stress im Körper kann die Muskelspannung reduzieren und die Regeneration fördern. Ein entspannter Muskel ist weniger anfällig für Verletzungen und Mikroschäden.
  5. • Vermeidung von Überbelastung: Eine kontrollierte Atmung hilft, die Trainingsintensität besser zu steuern. Wenn du während des Trainings richtig atmest, kannst du eine Überanstrengung vermeiden, die das Risiko für Muskelschäden erhöht und somit auch das Risiko für DOMS verringert.


Schlussfolgerung

Eine effiziente, bewusste Atmung beim Sport trägt dazu bei, die Sauerstoffversorgung der Muskeln zu optimieren, den Säure-Basen-Haushalt zu stabilisieren und die Durchblutung zu verbessern. All diese Faktoren unterstützen die Muskelregeneration, reduzieren die Mikroschäden und können somit helfen, Muskelkater zu vermeiden oder zumindest abzuschwächen. Die richtige Atmung ist also eine einfache, aber wirkungsvolle Methode, um den Körper bei der Regeneration zu unterstützen und das „unbekannte Tier“ Muskelkater besser in den Griff zu bekommen.

Wer allerdings jetzt glaubt, mit großen intensiven, vielleicht sogar geräuschvollen Atemzügen das Muskelkatertier vertreiben zu können, liegt völlig falsch. Zu heftiges Schnaufen führt nämlich zu Überatmung, und das ist ein anderer Mythos, den es ebenso aufzuklären gilt wie den Milchsäure-Muskelkater-Irrtum. Aber das ist eine andere Geschichte.



Alexander Jonas
Atemtraining/Mentaltraining/Coaching
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M: office@spirah.net
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